Ein Leser fragte mich, was ich von Diretta halte. Die Kurzfassung: Ein interessantes Konzept, aber vielleicht etwas unausgereift? Die Langfassung liest du unten.
In den Grundlagen sehen wir uns die Technik des digitalen Datenstroms an und vergleichen die Audiodatenprotokolle Roon RAAT, HQPlayer NAA und Diretta miteinander. Im Praxisteil komme ich direkt auf Diretta zu sprechen.
Grundlagen
Der digitale Datenstrom
Wenn das Internet nicht richtig funktionieren würde, wären keine Bankgeschäfte möglich! Dieses Argument wird gern gegen Klangunterschiede bei der digitalen Musikwiedergabe ins Feld geführt. Und in der Tat gibt es Sicherheitsmechanismen, die sehr zuverlässig dafür sorgen, dass der digitale Code richtig beim Empfänger ankommt.
Prüfsummen
Mit dem IEEE 802.3 Tagged MAC Frame wird das gängige Format der Ethernet-Datenübertragungsblöcke beschrieben. Wichtig ist hier der Abschnitt für die CRC-Prüfsummen, siehe unten im Bild der rechte Datenblock. Wenn ein Paket beim Sender erstellt wird, erfolgt eine CRC-Berechnung über die Bitfolge und die Prüfsumme wird an den Datenblock angehängt. Der Empfänger führt nach dem Empfang die gleiche Berechnung aus. Stimmt die empfangene nicht mit der selbst berechneten Prüfsumme überein, geht der Empfänger von einer fehlerhaften Übertragung aus und der Datenblock wird verworfen und bei Ethernet neu angefordert.
Quelle: Von Bluepoke 10:00, 25. Feb. 2009 (CET) – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/inde…curid=52587425
Das ist auch das Standardargument derjenigen, die sich über Ethernetoptimierungen lustig machen. Die Daten kommen immer Bitperfekt an. Musik ist jedoch zeitkritisch. Wenn die Zeit bei einem fehlerhaften Paket für eine Wiederholung nicht mehr ausreicht kommt es zu Dropouts.
Differentielle Signalübertragung mit symmetrischen Spannungen
Die Bits werden in Hochfrequenz nach dem Prinzip der differentiellen Signalübertragung mit symmetrischen Spannungen übertragen. Das Eye pattern oder Augenmusterdiagramm lässt Rückschlüsse auf die Qualität des Signals zu. Dabei wird über einen Oszilloskop die Überlagerung aufeinanderfolgender Wellenformen zu einem zusammengesetzten Bild erstellt. Im Bild unten wird auf der Ordinate (y-Achse vertikal) der Spannungszustand definiert, ab der eine binäre 0 oder 1 anliegt. Auf der Abszisse (x-Achse horizontal) ist der Zeitverlauf angegeben. Über die Spannungszustände (Voltage) und dem Zeitverlauf (Time) ergibt sich so zum Beispiel eine Bitsequenz von 011 (Gelb).
Wenn sich über die verschiedenen Bitsequenzen auf dem Oszilloskop in der Mitte ein großes Auge erkennen lässt, ist die Signalqualität in Ordnung. Störungen in den Spannungsverläufen, zum Beispiel Verschiebungen durch Jitter oder eine zu geringe Steilheit in den Flanken können zu Fehlinterpretationen der Bitsequenzen führen. Durch die Prüfsummen wird das fehlerhafte Datenpaket zwar erkannt, aber wenn das zu oft passiert gehen Datenpakete verloren.
Gleichtaktstörungen
Wo Strom fließt können sich Störungen bis zu den Endgeräten (DAC, Verstärker, etc.) ausbreiten und beeinflussen somit die analoge Sphäre der Audiowiedergabe. Zum Beispiel Gleichtaktstörungen! Dabei werden Störspannungen und -ströme auf den Verbindungsleitungen zwischen elektrischen Komponenten oder elektrischen Bauelementen verstanden, welche sich mit gleicher Phasenlage und Stromrichtung sowohl auf der Hinleitung als auch der Rückleitung zwischen diesen Komponenten ausbreiten.
Die Einkopplung der Gleichtaktstörung kann unter anderem durch kapazitive Kopplung oder aufgrund von Potentialdifferenzen entlang des Übertragungsweges verursacht sein. Bei der kapazitiven Kopplung gelangen hochfrequente Störsignale oder Impulse gleichzeitig auf beide Leiter. Potentialdifferenzen entstehen beispielsweise durch einen Spannungsabfall, der durch hohe Ströme in Masseverbindungen oder Erdverbindungen (Erdschleifen) hervorgerufen werden kann.
Nebenbei bemerkt ist es deshalb eine gute Idee, für kurze Entfernungen sogenannte UTP-Kabel, (Unshielded Twisted Pair) zu verwenden. Sie bieten zwar weniger Schutz gegen EMI/RFI, sie sind aber nicht mit der Gehäusemasse verbunden, so dass keine Erdschleifen entstehen können.
Niederfrequente Störungen (Wander)
Im Wandlerchip müssen die digitalen Einsen und Nullen zeitrichtig verabreitet werden. Bei 44,1 kHz (CD) sind es z.B. 44.100 Samples pro Sekunde. Viele sagen deshalb, dass die wichtigste Clock im DAC sitzt. Das ist nicht verkehrt, nur beeinflusst das niederfrequente Phasenrauschen (1Hz bis 10Hz = Wander) beim Datentransport auch die Pins der Uhr im DAC. John Swenson, der viele Jahre im Chipdesign tätig war, erklärt es so:
Das Rauschen auf Masse (Erdung) ist stark frequenzabhängig. Bei einer Standardplatine mit Signalen auf einer Massefläche fließt der hochfrequente Rückstrom direkt unter dem Signalkabel durch die Massefläche, sodass es selten zu Problemen mit den Clock Pins kommt. Der niederfrequente Rückstrom verteilt sich jedoch über die gesamte Massefläche und kann daher leicht die Clock Pins beeinträchtigen. Das bedeutet, dass niederfrequente Jitter-Komponenten in Datenschnittstellen kleine Spannungen über die Massefläche erzeugen können (und dies auch tun), was leicht zu Problemen mit den Clock Pins führen kann. Quelle: Audiophilestyle Thread EtherREGEN
Deshalb lohnt es sich schon beim Datentransport OCXO Clocks mit niedrigen Phasenrauschwerten im Bereich 1Hz bis 10Hz einzusetzen. Siehe: Was bringt ein Reclocking mit dem Mutec REF10 SE120? Und es soll generell der Jitter durch geringe Latenzen klein gehalten werden. Siehe: Audio PC Latenzen.
Audiodatenprotokolle Roon RAAT, HQPlayer NAA und Diretta
Die Audiodatenprotokolle betreffen zum einen die Datenübertragungstechnik, welche zum Beispiel UPnP (Universal Plug and Play) ersetzen soll. UPnP dient zur herstellerübergreifenden Ansteuerung von Geräten (Audio-Geräte, Router, Drucker, Haussteuerungen) über ein IP-basiertes Netzwerk. Mangels einheitlicher Standards ist es fehleranfällig. Zum anderen soll der „lärmende“ Computer (Host), welcher die Musikverwaltung steuert und eine digitale Signalverarbeitung (Upsamplung, Convolution, etc.) durchführt, vom Endpunkt (Target) ferngehalten werden. Der Endpunkt soll möglichst rauschfrei und stabil die Audiodaten an den DAC senden.
Roon RAAT (Roon Advanced Audio Transport)
Roon war nicht glücklich mit UPnP, welches hier nachgelesen werden kann:
What’s wrong with UPnP?
Roon / RAAT Architecture and protocol VS DLNA / UPnP AV
RAAT stellt keine großen Ansprüche an die Hardware. Es ermöglicht ein stabiles Streaming über Ethernet- und WiFi-Netzwerke und unterstützt alle „relevanten“ Audioformate inklusive DSD. Stolz ist man auf die Wiedergabesynchronisation für Multiroom-Hören.
Das Ziel ist es den „Server“ (also der Rechner, der Musik verwaltet/decodiert, Streamingdienste verbindet, DSP etc. machen kann) getrennt vom „Audiogerät“ zu halten, um Störquellen (elektrisch, CPU-Last, Interrupts) am Audiopfad zu minimieren. Dafür wird die Roon Bridge angeboten, die auf einem leichten Rechner laufen kann.
HQPlayer NAA (Network Audio Adapter)
Signalyst (Jussi Laako) hat NAA entwickelt, welches den HQPlayer-Anforderungen entspricht. UPnP ist nicht für die HQPlayer-Ausgabe geeignet, da es zum Beispiel keine DSD Unterstützung bis DSD1024 bietet.
Die Verarbeitung wird von der Player-Anwendung (Host) durchgeführt und die verarbeiteten Daten werden asynchron über das Netzwerk zu einem leichten Netzwerk-Audioadapter (Target) gestreamt, der mit dem DAC als Endpunkt verbunden ist. Asynchrones FIFO bietet maximale Isolation zwischen Verarbeitung und Audiowiedergabe.
Der Endpunkt mit NAA wird häufig über Einplatinencomputer wie z. B. Raspberry Pi realisiert. Der Vorteil liegt im geringen Stromverbrauch mit reduziertem Electrical Noise, welches dem Klang zugute kommt. Dafür stellt Signalyst kostenfreie Linux Images zur Verfügung. Eine Alternative sind Geräte, welche NAA bereits eingebaut haben.
Diretta
Diretta benötigt einen Host als Sender und ein Target als Empfänger. Es ist ein speziell auf High-End-Audio ausgerichtetes Netzwerkprotokoll, bei dem der Empfänger möglichst wenig „Last“ sieht. Die Wiedergabe-Seite soll so „ruhig“ wie möglich gehalten werden (weniger CPU/OS-Interaktion am DAC).
Der Host arbeitet möglichst synchron mit dem Target. Dabei werden Pakete so oft wie möglich in konstanten kurzen Abständen übertragen, um die Verarbeitung zu minimieren. Die Übertragung wird durch vorhersagende Zielpuffer gesteuert. Auf diese Weise werden die Schwankungen im Energieverbrauch beim Target reduziert.
Es ähnelt der USB-Synchronisation, aber das Target ändert die Geschwindigkeit nicht, weil der Host synchronisiert. Es gibt keine Puffer- oder Flusskontrolle wie USB-Asynchronisation. Es gibt keine komplizierte Verarbeitung wie UPnP-Dateibereichsanfragen.
Ein recht neue Innovation stellt DDS (Diretta Direct Stream) dar, welches am 5. November 2025 publiziert wurde. DDS „springt“ eine Ebene tiefer als die bisherigen IP-basierten Modi von Diretta: Anstatt Audio als UDP/IP-Pakete (IPv4/IPv6 + UDP/TCP) zu übertragen, nutzt DDS direkt Ethernet-Frames (Raw Ethernet / Layer-2). Damit umgeht DDS IP-Header und UDP/TCP-Overhead. Overhead und Jitter sollen minimiert werden. Derzeit befindet sich DDS noch in der Test- und Entwicklungsphase und eine formale Registrierung eines eigenen Ethernet-Typs wurde beantragt.
Diretta in der Praxis
Bevor ich mich mit neuen Technologien beschäftige, führe ich intensive Recherchen durch. Das spart Zeit und Geld. Und nun kommt der Spoiler: Diretta hat mich nicht soweit überzeugt, dass ich es selbst ausprobieren werde. Zumindest noch nicht. Der folgende Bericht soll dir helfen, selbst ein Diretta System aufzubauen. Und ich werde natürlich auf die Dinge eingehen, die aus meiner Sicht zu verbessern oder zu klären sind.
Wer steht hinter Diretta?
Der Entwickler von Diretta heißt Yu Harada. Er war früher Mitarbeiter bei Sforzato, einem japanischen Hersteller im High-End-Audio-Bereich. Sforzato wurde 2009 gegründet und ist bekannt für Netzwerk-Player und Hifi-Komponenten. Ein Artikel auf der HiFi-Seite „netmagazine“ bezeichnet Diretta 2019 als „brandneues“ Protokoll.
Die Website lautet diretta.link und ist ziemlich spartanisch gestaltet. Es gibt dort eine chaotische Supportseite, von der immerhin der aktuelle ASIO Treiber geladen werden kann. Das Angebot richtet sich primär an Hersteller und nicht an Endkunden, Zitat:
Es werden keine Lizenzen verkauft. Bitte nutze GentooPlayer und AudioLinux TargetApp. Oder kaufe Target-Produkte beim lokalen Distributor. Quelle: download limited
Aber so richtig konsequent wird es nicht durchgezogen, finden sich doch weitere Hinweise zu einer Preview Version:
Die Wiedergabe von Formaten außer dem unteren Hz stoppt nach 6 Minuten (danach wird die Wiedergabe für 1 Minute deaktiviert). Beschränkung auf PCM 44,1 KHz, 48 kHz und DSD64 2,8 MHz 3,1 MHz. Quelle: download limited
Es wird auch Hardware im Shop angeboten. So zum Beispiel eine „Diretta Target USB Bridge for RaspberryPi5“. Mit der Resonanz seiner Kunden war Yu Harada wohl nicht glücklich. So schreibt er, dass er keine Bestellungen wegen hoher Stornierungsquoten mehr annimmt:
Das Diretta Lizenzmodell
Ein wesentlicher Unterschied ist, dass Diretta die Lizenzen nicht direkt an den Endkunden verkauft, sondern dass die Hersteller diese mit ihren Produkten verkaufen oder die Lizenz an der von Diretta vertriebenen Hardware hängt. Die Lizenz ist meines Wissens am Diretta Target gebunden.
Die Lizenzkosten sind intransparent. HIFISTATEMENT hat die Diretta Target USB Bridge getestet und nennt 499,00 € für den USB Stick. Der dort hinterlegte Link führt leider ins Nirwana. Aber es gibt etwas von Afterdark: Diretta Target USB Bridge for USB boot für derzeit 281,95 €. Mit dem USB Stick ist die genutzte Hardware wahrscheinlich egal, weil die Lizenz an den USB Stick gebunden ist. Eine andere Quelle nennt Diretta USB Target für 100 € im Zusammenhang mit Audio Linux, siehe unten.
Der Aufbau eines Diretta Systems
Eigentlich ist es einfach, denn du brauchst nur einen Diretta Host und einen Diretta Target. In der Praxis ist es dann doch komplizierter, weil es viele Varianten gibt.
Die Raspberry Pi Lösung
Für Bastler, die wenig ausgeben wollen, gibt es eine recht gute Anleitung von David Snyder: Building a Dedicated Diretta Link with AudioLinux on Raspberry Pi:
Stufe 1: Roon-Kern: Dein leistungsstarker Roon-Server läuft auf einer dedizierten Maschine, die weit entfernt von deinem Abhörraum platziert ist. Er übernimmt die ganze schwere Arbeit, und sein elektrisches Rauschen bleibt von deinem Audiosystem isoliert.
Stufe 2: Diretta Host: Der erste Raspberry Pi in unserem Build fungiert als Diretta Host. Er verbindet sich mit deinem Hauptnetzwerk, empfängt den Audiostream vom Roon Core und bereitet ihn dann mit einem spezialisierten Protokoll weiter.
Stufe 3: Diretta Target: Der zweite Raspberry Pi, der Diretta Target, wird nur über ein kurzes Ethernet-Kabel mit dem Host Pi verbunden und schafft so eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung galvanisch isoliert. Er empfängt den Ton vom Host und verbindet sich per USB mit deinem DAC oder DDC
Hier gibt er noch weitere Tipps und Erläuterungen:
Kaufe AudioLinux (Link) für Raspberry. Derzeit 69 Dollar für ein Jahr Unterstützung. Anmerkung: Diese eine Lizenz deckt sowohl deine Host- als auch deine Ziel-Pis ab (und alle weiteren, die du an diesem Standort baust).
Baue das Kit zusammen und bring alles bei 44,1/48 kHz zum Laufen (Abtastraten, für die Diretta kostenlos getestet werden kann).
Hör eine Woche lang zu. Entscheide, ob es dir gefällt, hasst oder egal ist.
Kauf die Diretta-Lizenz (nur Target): Wenn es dir gefällt, nutze das Lizenzmenü im Target-Menü, um den hardwarespezifischen Link zu generieren, den du für den Kauf der 100-€-Diretta-Lizenz brauchst.
Die Diretta-Target-USB-Bridge Lösung
Dann gibt es eine gut erklärte Variante von HIFISTATEMENT mit Diretta-Target-USB-Bridge. Dabei werden zwei PCs deiner Wahl eingesetzt. Auf der Senderseite kann man jeden beliebigen Windows-PC zu einem „Diretta Host“ machen, sofern die verwendete Musik-Wiedergabesoftware die Einbindung des Diretta ASIO Treibers gestattet. Zum Beispiel Roon und den HQPlayer. Der „virtuelle“ Diretta Treiber hat ein umfangreiches Konfigurationsmenü, bei dem Profile und Latenzen (Puffer) eingestellt werden können.
Die Empfängerseite mit Diretta Target USB Bridge nutzt einen USB Stick. Jeder beliebige PC (x64 Intel oder AMD CPU) kann so in ein „Diretta Target“-Gerät verwandelt werden. Eine bestehende Installation auf dem PC wird dabei nicht angerührt. Der USB-Stick, der die Software für die Diretta-Target-USB-Bridge auf Basis eines schlanken Linux-Systems enthält, wird in einen der USB-Anschlüsse des PCs gesteckt. Nach einem Neustart bootet der PC dann von diesem USB-Speicher. Ein per USB angeschlossener DAC sollte dann automatisch erkannt werden, sofern nicht zu exotisch. Der Diretta Target PC soll stromreduziert ausgeführt werden, also zum Beispiel niedrig getaktet, damit der Vorteil der leichten Verarbeitung erhalten bleibt. Im Optimalfall erhält der DAC dann rauschreduzierte Musikfiles, wobei es hier natürlich auf eine audiophile USB Verbindung ankommt.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass ich Lösungen mit USB Speichermedien für sehr kritisch halte. Es sind meist nicht gerade die qualitativ besten und haltbarsten Bauteile verbaut. Ich musste schon einige USB-Sticks wegen Speicherfehler entsorgen.
Die Fertiglösungen
Eine weitere Möglichkeit ist der Einkauf von Hardware, auf der Diretta schon installiert ist. Das könnte durchaus deine Nerven schonen, aber eher nicht deinen Geldbeutel. So kannst du zum Beispiel einen Netzwerk-Audioplayer mit integriertem Server von fidata HFAS1 (Diretta Host) verwenden. Und dazu einen SFORZATO DSP-07EX DAC (Diretta Target). Aber Vorsicht, der verbaute ESS DAC Chip ES9038Pro kann kein reines NOS (Non Oversampling). Alternativ bietet zum Beispiel Afterdark einige Diretta Produkte an.
Der Diretta Praxistest in der Community
Es wird dich nicht wundern, dass die Meinungen auseinandergehen. Das ist normal und letztendlich soll es dir gefallen und nicht deinem Nachbarn. Trotzdem ziehe ich beim querlesen meine Rückschlüsse daraus, ob sich ein weiteres Engagement lohnt.
So kann man bei diesem Thread DIY: A Three-Tier Roon Endpoint with Diretta on Raspberry Pi schon von Fanboys sprechen, denn der Verfasser ist der oben erwähnte David Snyder. Hier berichtete er enttäuscht von einer ungleichmäßigen CPU-Auslastung bei einem Diretta Target-Software-Update. Dieser Fehler wurde zwar behoben, aber heufige Updates können darauf hindeuten, dass die Software fehleranfällig ist.
Dann wurde darüber diskutiert Jumbo Frames zu nutzen. Das ist eigentlich das Gegenteil der Diretta Philosphie mit einem gleichmäßigen Datentransport mit kleinen Paketen. Aber ich nutze das mit meinen Solarflare X2522 Netzwerkkarten auch, allerdings im Standard mit einer MTU (Maximum Transmission Unit) von 1500. Die MTU ist die maximale Nutzlastgröße pro Ethernet-Frame (ohne Frame-Header).
Einiges kann für eine MTU 9000 statt 1500 sprechen:
- 6× weniger Pakete pro Sekunde
- 6× weniger Header-Overhead
- 6× weniger Interrupts, Kontextwechsel, Netzwerk-Stack-Operationen
Das senkt die CPU-Last, sowie die elektrische Aktivität und hat damit potenziell weniger Noise. Allerdings meine ich, sollte man den energieintensiven Datenburst (als Spitze im Netzwerkadapter zu erkennen) nicht unterschätzen.
Wie auch immer. Ein Forent berichtete begeistert von der Klangsteigerung mit MTU 9000. Er wurde wenig später von einem anderen hier darauf hingewiesen, dass er in Wirklichkeit mit MTU 2000 hört. Jumbo Frames mit 9k oder 16k sind nicht Standard, und es muss sichergestellt werden, dass alle Netzwerkelemente wie Switches, Router etc. in einem Netz mit diesen Jumbo Frames umgehen können. Ist die Kompatibilität nicht gegeben, so interpretieren betroffene Geräte die übergroßen Frames eventuell als Jabber, was typischerweise mit einer Blockade des Datenstromes verbunden ist, oder verwerfen die Frames. Das führt dann erst recht zu Netzwerkstörungen. Soviel zur Autosuggestion von uns Audiophilen.
Dann wurden hier die unterschiedlichen Netzwerkprotokolle NAA und Diretta kontrovers diskutiert. HQPlayers NAA arbeitet mit FiFo Puffern, also First in First out und es handelt sich um eine typische asynchrone Datenübertragung. Das heißt, die zeitliche Abfolge der Datenübertragung zwischen Host und Target ist egal, solange der Datenstrom nicht abreißt. Diretta versucht stattdessen eine synchrone Datenübertragung mit geringsten Latenzen hinzubekommen, weil der Host den Target Puffer synchronisiert. Mit Diretta wurde von den NAA Nutzern im Vergleich mehrheitlich „keine“ Verbesserung festgestellt.
Gleichmäßige Datenübertragung mit kleinen Paketen und geringsten Latenzen in der Praxis
Hier kommt jetzt ein Praxistest von mir. Zwar ohne Diretta, aber mit der Philosophie von Diretta. Denn für viele ist es keine neue Erkenntnis, dass sich ein gleichmäßiger Datentransport und die Verarbeitung mit geringsten Latenzen positiv auf den Klang auswirken.
Unten siehst du im Bild eine gleichmäßige Belastung der einzelnen CPU Cores ohne Sprünge beim Upsampling auf DSD1024. Beim Arbeitsspeicher und Ethernet siehst du über den Zeitverlauf einen Balken ohne Änderung der Auslastung. Im HQPlayer habe ich aktuell mit 5 ms sehr geringe Latenzen für NAA eingestellt. Die Datenträger (SSDs) werden überhaupt nicht verwendet.
Die Verbindung zum DAC erfolgt über USB. Ich bin ein großer Fan von Acourate für die Raum- und Lautsprechermessung und Korrektur. Der Entwickler Dr. Ulrich Brüggemann hat aber immer auch etwas Neues auf Lager. So hat er im Januar 2025 ein neues Tool „AsioTimeTest“ zur kostenlosen Nutzung zur Verfügung gestellt. Das Programm gibt es als Setupdatei oder als portable 7zip-Version (Achtung die Links können veraltet sein, dann bitte direkt bei Audio Vero anfragen).
Die übliche USB-Schnittstelle zwischen dem Audio PC und dem DAC wird unter Windows mit dem ASIO-Treiber zur Verfügung gestellt. Bei Linux ist es ALSA. ASIO arbeitet mit einem Wechselpuffer-Prinzip. Während der Player Daten in den einen Puffer schreibt, liest der Treiber den anderen Puffer und gibt die Daten an die entsprechende Hardware weiter.
Der Renderer muss schnell genug schreiben, dann kann der Puffer umgeschaltet werden. Wird z.B. ein ASIO-Puffer von 512 Byte bei 44100 Hz verwendet, so muss alle 512/44,1 = ca. 11,6 Millisekunden ein Pufferwechsel stattfinden. Das Timing wird vom ASIO-Treiber vorgegeben.
Mit dem Programm „ASIO Timing Test“ können Schwankungen im Timing grafisch dargestellt werden. Ich wollte nun wissen, wie der fis Audio PC abschneidet. Denn dieser ist natürlich hochoptimiert. Ich habe dafür den USB-Treiber von thesycon (T+A DAC 200) verwendet.
Ich habe erstmal mit einem hohen Puffer von 512 Byte getestet. Zu sehen sind unten im Bild Ausfransungen am oberen Ende, also Schwankungen im Timing.
Mit einem geringen Puffer von 64 (1/8 im Vergleich zum Buffersize 512) sind keinerlei Ausfransungen mehr da und die Latenzen sinken auf 1,45 ms.
Solange die Rechenleistung der CPU, bzw. des USB Controllers mitspielt, sind kleinere Puffer von Vorteil, weil so kleinere Pakete mit einem gleichmäßigeren Datenstrom versandt werden können.
Zusammenfassung
Der digitale Datenstrom ist über die Prüfsummenprotokolle immer bitperfekt, dass ist hier nicht das Thema. Aber es gibt aufgrund der differentiellen Signalübertragung mit symmetrischen Spannungen Gleichtaktstörungen und im Timing niederfrequente Störungen (Wander), die sich im analogen Zweig der angeschlossenen Geräte ausbreiten können.
Mit den Audiodatenprotokollen Roon RAAT, HQPlayer NAA und Diretta wird versucht, eine rauschfreiere und stabilere Datenübertragung als beispielswiese mit UPnP zu erreichen.
Hinter Diretta steht ein Entwickler namens Yu Harada, von dem nur bekannt ist, dass er bei Sforzato, einem japanischen Hersteller im High-End-Audio-Bereich, gearbeitet hat. Tatsächlich versteht der Sforzato DSP-07EX DAC das Diretta Protokoll. Die Website diretta.link ist chaotisch und lieblos. Bei einem Produkt „Diretta Target USB Bridge for RaspberryPi5“ sind wegen hoher Stornierungen keinen Bestellungen mehr möglich. Das spricht meines Erachtens nicht gerade für das Unternehmen, denn warum wurde soviel storniert?
Das Diretta Lizenzmodell ist nicht transparent. Der Aufbau eines Diretta Systems ist nicht trivial, aber eine engagierte Community hat Anleitungen und Tipps erstellt. Ein preiswerter Aufbau mit Raspberry Pis ist mit einiger Mühe möglich, wobei mich die Hardware nicht überzeugt. Die Diretta-Target-USB-Bridge Lösung finde ich noch am interessantesten, weil es relativ einfach in ein bestehendes duales PC-System integriert werden kann. Fertige Geräte-Lösungen sind spärlich und teuer.
Der Diretta Praxistest in der Community schwankt zwischen Begeisterung und Enttäuschung. Aufgrund des unfertigen Eindrucks des Diretta Protokolls mit häufigen Software-Updates werde ich mich aktuell nicht mit eigenen Tests beteiligen. Möglicherweise wird das neue Konzept DDS (Diretta Direct Stream) interessant. Da bleibe ich dran.
Eine Datenübertragung mit kleinen Paketen und geringsten Latenzen praktiziere ich bereits und kann so zumindest die Philosophie von Diretta nachvollziehen.
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